Wie gut ist ein 5×5 Trainingsplan für Kraftsport und Bodybuilding?

Das 5x5 Trainingssystem ist eins der beliebtesten Trainingssysteme der Welt und wird im Kraftsport gern als Allheilmittel für angestrebte Kraftzuwächse verwendet.

Hier erfährst du, wie du einen 5x5 Trainingsplan nutzen kannst, um deine Kraftziele zu erreichen und gleichzeitig einen muskulösen Körper aufzubauen. Außerdem siehst du, wo das 5x5 Training seine Schwächen hat und wie du damit umgehen solltest.

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Grundlagen und Einleitung

Das 5x5 Programm gibt es in verschiedenen Ausführungen, in verschiedenen Abwandlungen, von verschiedenen Autoren.

Die bekannteste und die ursrpüngliche Fassung des 5x5 stammt von Bill Starr, einem Trainer des American Footballs und Kraftcoach für seine Athleten. Bill Starrs 5x5 Trainingsplan ist bereits über 40 Jahre alt (1976) und wurde erstmals im Buch „The Strongest Shall Survive“ beschrieben, einer Wissenssammlung zur Entwicklung der athletischen Physis von Football-Spielern.

Bill Starrs Programm wird heute auch gerne unter dem Begriff „Madcow 5x5“ verwendet. Madcow war der Nickname eines Mitglieds eines US-amerikanischen Kraftsportforums, der die Prinzipien von Starr in den Kontext des sogenannten Powerbuildings gesetzt hat. Ziel des Powerbuildings ist es, gleichzeitig Kraft- und Muskelzuwächse zu maximieren, um sowohl im Powerlifting als auch im Bodybuilding Erfolge erzielen zu können.

Starrs Programm basierte ursprünglich ausschließlich auf den drei Grundübungen des Kraftsports Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben. Madcow erweiterte diesen Gedanken auf andere Multi-Gelenk-Übungen mit dem Ziel, in einem Wiederholungsbereich zu trainieren, der sich positiv auf die Maximalleistung auswirkt und die Proteinsynthese ausreichend stimuliert, um Muskelwachstum zu verzeichnen.

Abgesehen sehen von Starrs bzw. Madcows 5x5 wird auch gerne Jason Blahas oder Stronglifts 5x5 Trainingsprogramm verwendet, deren Stärken und Schwächen in gesonderten Artikeln thematisiert werden.

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Das 5x5 Programm von Madcow im Detail

Bevor es losgehen kann, benötigst du den Trainingsplan. Wir haben ein Google Sheet unter folgendem Link aufgesetzt: 

https://docs.google.com/spreadsheets/d/1NWHiEclUT2cgxaAQPbnBSc7i88BKIKTkBJ4FrRdN7Vc/edit?usp=sharing

Bitte klicke auf "Datei" > "Kopie erstellen", um die Datei zu Bearbeitung und deine Einstellungen vorzunehmen.

Sehen wir uns das Programm einmal genauer an. Auf die Woche gesehen stehen 3 Trainingstage an, an denen Grundübungen und Assistenzübungen gemeinsam ausgeführt werden. Der schwere Powerlifting-Teil des Trainings steht dabei immer im Vordergrund. Die ergänzenden Übungen folgen auf die schweren 5x5 Sätze und schließen das Training ab.

Trainingstag: Montag

Anhand deines 5 Repmax, also genau das Gewicht, mit dem du bei einer einzelnen Übung exakt 5 Wiederholungen schaffst, wird das Trainingsgewicht der 5 Sätze orientiert. Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass du beispielsweise bei Kniebeugen 100 kg gerade so 5 Mal schaffst. Das wird dein sogenannter Top-Set für diesen Tag sein, also der Satz mit dem höchsten Gewicht.

Hier findest du einen Taschenrechner, der dir die ewige Rechnerei abnimmt.

Vorher arbeitest du dich mit 4 anderen Sätzen an dieses Gewicht heran. Gestartet wird mit 50% deines 5RM, sprich 50 kg. Pro Satz wird das Gewicht um 12,5% des 5RM erhöht. In Satz Zwei bedeutet das in diesem Beispiel eine Last von 62,5 kg x 5 Wiederholungen, in Satz Drei 75 x 5 Wiederholungen, in Satz Vier 87,5 x 5 Wiederholungen und zuletzt der Maximalsatz von 100 x 5 Wiederholungen.

Am Montag stehen die Grundübungen Kniebeugen und Bankdrücken sowie vorgebeugtes Rudern mit der Langhantel auf dem Programm. Die Gewichtsauswahl über die jeweils fünf Sätze erfolgt hierbei immer von 50 bis 100 Prozent des 5Rm in 12,5 Prozent-Schritten.

Der Montag wird mit den Assistenzübungen Backextensions und Situps im Wiederholungsbereich von 10 bis 12 für jeweils 2 bis 4 Sätze abgerundet.

Trainingstag: Mittwoch

Mittwochs geht es ein wenig leichter zu als Montags. Auf dem Programm stehen Kniebeugen, Schrägbankdrücken oder Überkopfdrücken und Kreuzheben. Zur Ergänzung werden nach diesen Multi-Gelenks-Übungen mehrere Sätze Situps zur Stärkung der Bauch- und Rumpfmuskulatur absolviert.

Anders als Montags werden jeweils nur vier Sätze der Grundübungen durchgeführt. Kniebeugen und Schrägbankdrücken finden mit 50, 62,5, 75 und 75% der 5 RM von Montag statt. Anschließend wird kreuzgehoben: Für vier Sätze mit jeweils fünf Wiederholungen werden Arbeitsgewichte von 62,5, 75, 87,5 und 100% des 5RMs deiner Kreuzhebeleistung gewählt.

Damit liegt der Fokus am Mittwoch ganz eindeutig auf der Leistung des Kreuzhebens, allerdings mit Vorermüdung durch Kniebeugen und Schrägbankdrücken – ein Ablauf ähnlich eines echten Powerlifting-Wettkampfs.

Trainingstag: Freitag

Zu guter Letzt folgt am Freitag wieder ein Trainingstag mit viel Volumen und mehreren Veränderungen zum Montag. Die Auswahl der Grundübungen ist gleich: Kniebeugen, Bankdrücken und vorgebeugtes Rudern in dieser Reihenfolge.

Anschließend wird mit mehreren Sätzen Dips, Langhantel-Curls und Trizeps-Extension der Fokus auch auf den gezielten Muskelaufbau an Armen und Schultern gelegt. Gleichzeitig sind schwere Dips und Trizepz-Extensions eine hervorragende Assistenz, um die Bankdrücken beanspruchten Sekundärmuskeln zu stärken.

Jetzt zur großen Veränderung im Vergleich zu Montag: Anstatt der 5 Sätze pro Grundübung werden jeweils 6 Sätze veranschlagt. Gestartet wird im ersten Satz mit jeweils mit 52,5% des 5RM von Montag. Der zweite bis vierte Satz findet mit 65, 77,5 und 90% des montägigen 5RM statt. Der fünfte Satz jeder Grundübung findet mit 102,5% des 5Rm statt, allerdings nur für 3 Wiederholungen. Anschließend wird das Gewicht im sechsten Satz zurück zu 77,5 Prozent verringert und für jeweils 8 Wiederholungen ausgeführt.

Damit ist der Freitag wesentlich volumenreicher als der ansonsten ähnliche Trainingstag am Montag. Durch die Steigerung auf 102,5% des 5RM kann sich der Körper an höhere Belastungen adaptieren. Die Volumenverringerung im jeweils 5. Satz wird durch die 8-er Sätze mehr als nur kompensiert.

Das Training am Freitag markiert damit den anstrengenden, aber dennoch hart verdienten Rutsch ins Wochenende.

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Entwicklung des Trainingszyklus

Overload 5x5

Foto: Africa Studio / Shutterstock.com

In den darauffolgenden Wochen ist es immer das Ziel, das Gewicht des montägigen 5RM um 2,5 Prozent im Vergleich zur vorangegangen Woche zu erhöhen. Damit entspricht das zu bewältigende Montagsgewicht in Woche Zwei dem Gewicht des schwersten Satz von Freitag – Allerdings für 2 Wiederholungen mehr.

Dass diese signifikante Gewichtssteigerung nicht ständig voranschreiten kann, ist klar. Der Körper benötigt viel Zeit, um Muskeln und Kraft aufzubauen, da sowohl neuronale als auch physische Prozesse damit verbunden sind. Aus diesem Grund sieht das Plan alle 8-12 Wochen eine Reset vor, bei dem das Gewicht wieder unter das Ausgangsniveau gesetzt wird.

Das letzte vollendete, sehr hohe 5RM des zuvor vollendeten 8-12 Wochenzyklus wird zu deinem neuen Ausgangspunkt. Angenommen du schaffst nach 8 Wochen statt der 100 kg für 5 Reps jetzt 110 kg für 5 Wiederholungen, sind 110kg dein neues 5RM für den bevorstehenden Zyklus.

In den ersten 4 Wochen wird bewusst dieses neue 5RM auf 92,5, 95, 97,5 und 100 Prozent (Woche 1-4) herabgesetzt, damit du deinem Körper genügend Zeit zur Regeneration gibst. Erst ab Woche 5 bis Woche 8-12 wirst du wieder neue Bestleistungen in den 5RMs der Grundübungen erzielen können.

Damit ist der 5x5 Trainingsplan im Powerlifting ein zyklisches Trainingsprogramm, das den Körper in Phasen des „Overreaching“ überlastet und ihm anschließend genügend Zeit zur Regeneration gibt, um für die nächste Hochleistungsphase bereit zu sein.

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Bewertung des 5x5 Trainingsplans anhand der Kraftsport-Prinzipien

Im ersten Teil der Powerlifting-Artikelreihe sind wir auf die Prinzipien des Powerliftings bzw. des Kraftsports allgemein eingegangen. Wenn du mit den vier wichtigsten Prinzipien nicht vertraut bist, solltest du sie dir ansehen, um die folgende Bewertung nachvollziehen zu können.

Prinzip Spezifizität

Wenn du stärker werden möchtest, musst du Dinge tun, die dich stärker machen. Ein Fokus auf Grundübungen mit 5er-Sätzen gehört definitiv dazu. Trotzdem lässt sich das 5x5 Training als Kompromiss oder aber als die Klappe, die zwei Fliegen auf einmal schlägt.

Hier die Erklärung: Das Programm ist gezielt für das Powerbuilding gedacht, sodass du nicht die besten Ergebnisse in beiden Aspekten – dem Powerlifting und dem Bodybuilding erwarten kannst. Für das Powerlifting gut ist der Fokus auf regelmäßige Kniebeugen und Bankdrückvariationen. Weniger perfekt für das Powerlifting ist der enorme Fokus auf das Langhantel-Ruderns als Übung Nummer Eins für die Entwicklung der „Posterior Chain“. Um die Leistung im Powerlifting zu maximieren, wäre ein mindestens zweimaliges Kreuzheben pro Woche wünschenswert.

Das Langhantel-Rudern hilft allerdings deutlich dabei, die Muskulatur der Posterior Chain wachsen zu lassen, da die Verbindung zwischen Geist und Muskel höher ist als beim Kreuzheben. In diesem Zusammenhang wird gerne von der Mind-Muscle-Connection gesprochen. Beim vorgebeugten Langhantel-Rudern wirst du deinen großen Rückenmuskel, den Latissimus besser spüren als beim Kreuzheben.

So gesehen ist der hohe Anteil der Ruderbewegungen positiv für den Muskelaufbau- und den Bodybuilding-Aspekt zu bewerten.

Prinzip Überladung

Das 5x5 Trainingsprogramm bedient sich des klassischen Prinzips der progressiven Steigerung. Dadurch, dass das Gewicht in der Überlade-Phase jede Woche um 2,5% im Vergleich zur vorherigen Woche erhöht wird, ist das Prinzip des Steigerung erfüllt.

Die Frage ist eher, ob die Schnelligkeit des Fortschritts für unterschiedlich fortgeschrittene Trainierende optimal ist. Nein, ist sie nicht. Komplette Neulinge im Kraftsport könnten oft schneller als 2,5% pro Woche das Gewicht steigern, sodass der Fortschritt unnötigerweise zurückgehalten wird, wenn sich zu stark an den exakten Vorgaben des Programms orientiert wird.

Fortgeschrittene Powerlifter sollten mit der aufgerufenen Gewichtssteigerung von Woche zu Woche jedoch gute Fortschritte erzielen, die ihrem Leistungsstand angemessen sind. Je weiter Fortgeschritten, desto schwieriger wird es selbstverständlich, diese lineare Steigerung von 2,5% pro Woche zu erfüllen.

Für professionelle Lifter sollte daher der Schwerpunkt eher auf den Prinzipien des DUP (Daily Undulating Periodization) und der wöchentlichen Volumenänderung und nicht der Gewichtsänderung liegen.

Prinzip Erschöpfungshaushalt

Madcows 5x5 berücksichtigt den Erschöpfungshaushalt des Trainierenden. Nach einer variablen Zyklusdauer von 8 bis 12 Wochen wird die Last zurückgesetzt. Die anschließenden vier Wochen werden mit einer verringerten Last bewältigt, um dem Körper ausreichend Zeit zur Erholung zu bieten.

Einerseits ist die Erholung für die meisten Trainierenden vor allem im Unterkörper und in der Posterior Chain nach dem absolvierten Zyklus bitter nötig. Andererseits könnte das Programm stärker auf die Oberkörperkraft und -belastung eingehen und die Verschiedenheiten in der Regeneration betonen. Gewöhnlicherweise bedarf es beim Bankdrücken einer nicht so langen Phase mit verringerter Last, da es sich kaum auf die Belastung der Wirbelsäule und der Hüfte auswirkt.

Prinzip Individualität

Madcows 5x5 Trainingsplan ist nicht an die individuellen Bedürfnisse des Trainierenden angepasst. Eine individuelle Übungsauswahl und eine individuelle Rate des Trainingsfortschritts werden vermisst. Das Prinzip der Individualität wird damit vom 5x5 Trainingsprogramm nicht erfüllt.

Das mag gut sein, wenn du dich auf die vielen Erfahrungen ähnlicher Trainierenden verlassen willst aber schlecht, wenn du das Maximum deines Leistungspotentials abrufen möchtest oder individuelle Beschwerden hast, die dir bestimmte Übungen aus dem Programm erschweren.

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Fazit zum 5x5 Trainingsplan

Das Madcows bzw. Bill Starrs 5x5 ist ein ausgezeichnetes Trainingsprogramm für alle Trainierende, die schon ein paar Monate gezieltes Powerlifting-Training auf ihrem Trainingskonto haben. Einige Absolventen von Starting Strength von Mark Rippetoe sind sicherlich gut mit dem 5x5 System bedient.

Auf lange Sicht bedarf es einer individuelleren Trainingsplangestaltung mit variablem, dennoch ansteigendem Volumen. Vor allem für fortgeschrittene Kraftsportlerinnen und Kraftsportler, die bereits mehrere Jahre trainieren, bietet Madcows 5x5 zu wenig Volumen und zu wenig Individualität in der wöchentlichen Ausgestaltung des Trainingsplans.

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