Die Rakeltechnik in der Malerei

Ein Abstreifholz wird zum Thema. Die Rakel diente ursprünglich in der Drucktechnik dazu, überschüssige Farbe von den Stegen der Druckzylinder oder der Rasterwalzen zu entfernen.

Zu einer Maltechnik wurde das Rakeln eher aus Zufall. Als ein Maler für seinen Sohn Farbe mit Kleister anrührte, kam er auf die Idee, diese nach dem Auftragen blitzschnell wieder von den Leinwand zu entfernen. Am schnellsten funktionierte das mit einer Rakel.

In diesem Artikel erfährst du alle Fakten zu den benötigten Hilfsmitteln, einer ausführlichen Anleitung und den berühmtesten Malern der Rakeltechnik. Wir zeigen dir, welcher Künstler mit seinen Rakelbildern die weltweiten höchsten Versteigerungspreise eines noch lebenden Künstlers erzielt.

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Einleitung zum Rakeln

Die Rakeltechnik in der Malerei zeichnet sich durch schnelle Bewegungen und Richtungswechsel aus, die dem Werk Geschwindigkeit verleihen.

Aber sie ist viel mehr, als nur das improvisierte "Über das Bild wischen".

Das Rakeln wurde von den Künstlern der Nachkriegsgeschichte lange Zeit als Protest gegen die gegenständliche Malerei genutzt, um die Vielfalt der Kunst inklusive der abstrakten Kunst zu demonstrieren.

Hier ein Vorgeschmack auf die Rakeltechnik, inspiriert von Gerhard Richter, ausgeführt von Marc Ballhaus:

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Hilfsmittel

Die Rakeltechnik bedarf nicht nur Materialien aus dem Malerzubehör. Vieles kennt man ursprünglich aus dem Baumarkt oder anderen Lebenssituationen. Selbst das Inventar eines Büros stellt Werkzeuge für diese abstrakte Maltechnik zur Verfügung.

Werkzeug

Neben einer Rakel, die der Technik ihren Namen verleiht, werden Spatel und Pinsel gebraucht. Dabei kommt zuerst der Pinsel zum Einsatz, da er dazu dient, mehrere Schichten Farbe auf die Leinwand aufzutragen. Der Pinsel sollte im Verhältnis zur Größe der Leinwand recht groß sein, um die Farbe schnell verteilen zu können.

Danach werden die Farben mit der Rakel verwischt, die aus einem Holzbrett mit formbarer Gummi- oder Kunststofflippe besteht. Alternativ eignet sich für die Technik auch eine Klemmmappe aus Polypropylen oder PVC. Wichtig ist vor allem die Festigkeit des Materials.

Rakel Siebdruck

Eine Rakel im Einsatz beim Siebdruckverfahren

Der Spatel wird zwischendurch verwendet. Auch er wird über das Bild gezogen. Für die Detailgestaltung eignen sich zum Abschluss kleine Pinsel, Schwämme, Spatel oder ein Malmesser.

Nach eigenem Ermessen kannst du dein Kunstwerk verfeinern. Wenn du möchtest, kannst du bestimmte Farbverläufe oder Konturen hervorheben und damit eine räumliche Tiefe in das Bild. bringen.

Farbe

Ölfarbe ist für den Einsatz bei der Rakeltechnik prädestiniert aber auch Acrylfarben können mit den richtigen Zugaben eine geeignete Option sein.

  • In der Rakeltechnik ist die Verwendung von Ölfarbe möglich. Sie basiert auf gehärteten Ölen, in den meisten Fällen Leinöl. Ölfarben verfügen über Kennzeichnungen zu Lichtechtheit und Deckkraft. Die Zähigkeit einer solchen Farbe ist ein klein wenig größer als jene einer Zahnpasta. Ein Grund, warum Ölfarbe sich so gut für diese Maltechnik eignet, ist ihre längere Trocknungsdauer als die der Acrylfarbe. So können auch große Formate gerakelt werden. Außerdem ist der Maler dadurch nicht gezwungen überdurchschnittlich schnell zu arbeiten.
  • Acrylfarbe in ihrer Grundzusammensetzung  eignet sich nur suboptimal fürs Rakeln, da sie meist innerhalb weniger Minuten anfängt zu trocknen und auszuhärten. Wenn du willst, kannst du ihre Trocknungszeit durch Beigabe von Trocknungsverzögerer und Bindemittel verlängern. Die so entstandene Mischung auf Acrylbasis kann bedenkenlos eingesetzt werden.

Untergrund

Der Grund, auf dem gemalt wird, ist stets die Leinwand. Die Verwendung von Papier erweist sich beim Rakeln als problematisch. Durch die unzähligen Farbschichten kann das Gemälde schwer werden und würde leicht reißen.

Achte darauf, dass der Keilrahmen straff gespannt ist, um ein Absacken in der Mitte des Bildes zu vermeiden. Die Oberflächenspannung des Keilrahmens kann mithilfe von Holzkeilen erhöht werden. Gegebenenfalls musst du deinen Keilrahmen nachspannen.

Da viel Farbe genutzt wird und du mit einer Rakel auf der Oberfläche herumwischen wirst, sollte die Leinwand eine gewisse Dicke bzw. ein gewisses Gewicht besitzen.  Mehr als 300 g/m² sind empfehlenswert.

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Vorgehensweise

  • 1
    Zuerst nimmst du den Pinsel zur Hand. Damit verstreichst du nach eigenem Ermessen mehrere Farben auf der Leinwand. Diese überlappen sich teilweise.
  • 2
    Ist die gesamte Leinwand mit mindestens einer Schicht Farbe bedeckt, kannst du weitere Farbe auf der Rakel verteilen, die anschließend mehrmals über das Bild gezogen wird. Dabei entscheidest du selbst in welche Richtung er die Rakel zieht, wo du ansetzt und wo du das Werkzeug wieder abhebst.
  • 3
    Unregelmäßige und zackige Bewegungen machen dabei den Großteil der stilistischen Besonderheiten aus. Du hast die Möglichkeit schnelle und langsame Bewegungen abzuwechseln. Außerdem kannst du flächige oder kantige Spuren über dein Werk ziehen. Von stockend bis flüssig dürfen die Striche aussehen. Bei der genauen Ausgestaltung sind dir keine Grenzen gesetzt und es bedarf einiger Übung, um die Auswirkungen einzelner Bewegung abschätzen zu können.
  • 4
    Der Spatel dient dazu, tiefere Farbschichten wieder freizulegen. Mit immer weiteren Farbschichten, die du auf der Leinwand verteilst, entsteht ein individuelles Meisterwerk.
  • 5
    Das Rakeln ist eine Möglichkeit ein abstraktes Bild in recht kurzer Zeit zu erstellen. Dabei kann diese Technik das gesamte Kunstwerk ausmachen, oder einen inspirierenden Untergrund für weitere Techniken zur Verfügung stellen. Du kannst verschiedene Werkzeuge zur Hand nehmen und die bestehende Struktur verwenden, um deine Vorstellung auszudrücken. Dabei kannst du bestimmte Bereiche im Bild hervorheben und andere in den Hintergrund treten lassen. Auf diese Weise entsteht ein Bild aus dem Zusammenspiel von Zufall und Intuition.

Beachte, dass das Rakeln nicht so einfach ist, wie es zunächst aussehen mag. Du musst ein Verständnis für Kompositionen entwickeln und lernen, Gefühle mithilfe von Farbe, Struktur und Bewegung auszudrücken.

Einige der bekannten Rakelkünstler sind höchst ausgebildete Maler, die über ein ganzes Repertoire an Techniken und Malstilen verfügen. Bestes Beispiel dafür ist das Bild "Lesende" von Gerhard Richter, ein realistisch gemaltes Werk des gefeierten abstrakten Künstlers.

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Berühmte Vertreter

Karl Otto Götz


Karl Otto Götz gilt als Vater der Rakeltechnik. Er war es, der als erster Farbe auf eine bekleisterte Leinwand auftrug und sofort verwischte. Im Jahr seiner Entdeckung stellte er seine letzten Ölbilder aus. Ab diesem Zeitpunkt malte er ausschließlich mit Farbe auf Kleister.

Er unterrichtete an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort traf er auf Rissa, die er zuerst unterrichtete und später heiratete. 

Seine Erfindung der Rakeltechnik ließ ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der abstrakten Kunst und des deutschen Informell in der Nachkriegszeit werden.

1958 malte Götz sein erstes Triptychon. Dabei spielte er auf zwei amerikanische Raketen an, die zu dieser Zeit in Deutschland stationiert waren. Seine Bilder nahmen zunehmend Bezug auf Zeitgeschehnisse. So malte er am Tag der deutschen Wiedervereinigung im Rausch seiner starke Emotionen spontan ein Bild mit dem Namen Jonction.

Gerhard Richter


Gerhard Richter, einstiger Schüler von K. O. Götz, brachte die Rakeltechnik in den Fokus der Öffentlichkeit. Seine Werke erzielen die höchsten Preise eines noch lebenden Künstlers weltweit. Zuletzt wurde ein Werk von Richter für mehr als 40 Millionen Euro versteigert.

Rakeltechnik Gerhard Richter

Gerhard Richter: Rain (2) - Öl auf Leinwand,  67 cm x 92 cm

Richter ist berühmt für die Gegensätze in seinem Schaffen. So malte er in einer frühen Phase Schwarz-Weiß Portraits von verstorbenen RAF-Kämpfern. Gleichzeitig glänzt das Portrait seiner Tochter Betty durch Farbenfreude, welche den Betrachter zu einer friedlichen Stimmung leitet.

Seit den 70er Jahren widmet sich der Maler vermehrt abstrakter Kunst. Gerhard Richter gilt als medienscheu und undurchschaubar. Interviews mit ihm zu führen, ist keine Leichtigkeit.

Für ihn gilt Malen als Denken. Zu diesem intimen Schaffensprozess haben nur sehr wenige Leute Zutritt. Eine Ausnahme machte der Künstler 2009, als eine Regisseurin ihn über einen Zeitraum von 5 Monaten beobachtete und eine Dokumentation über seine Arbeitsweise drehte.

Walter Zimmermann

Ein Maler, der sich in seinem Werdegang Stück für Stück von der Konvention verabschiedete, malte gerne mit der Rakel. Neben dem zu seiner Zeit wiederentdecktem Siebdruckvervahren, bei dem die Rakel ebenfalls eine Rolle spielt, ließ er ab einem Zeitpunkt den Pinsel als herkömmliches Malereiwerkzeug beiseite. Zu hoch wäre ihm die Versuchung die Farbe wie einst als Mittel zur Abbildung eines Objektes zu verwenden.

Zimmermann sah die Farbe als eigenständiges Mittel in seiner Malerei etwas auszusagen. Dazu nutze er Beziehungen mehrerer Farben zueinander und ihre Anordnung im Raum.

Alwin Seel

Alwin Seel ist ein deutscher Künstler, dessen Begeisterung ganz der abstrakten Malerei gehört. Seine Bilder entstehen durch Rakeln. Während man beim ersten Blick auf seine Werke häufig an Gemälde von Gerhard Richter denkt, erkennt man bei genaueren Hinsehen stilistische Unterschiede.

Seels Bilder zeichnen sich durch zahlreiche geometrische Elemente aus. Die Gemälde sind systematisch aufgebaut und verwendete Farben harmonieren auf eine Art und Weise, die den aufmerksamen Betrachter nicht stresst, sondern entspannen und inspirieren kann.

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