Glutamin – Wirkung wissenschaftlich erklärt

L-GLUTAMIN – Eine Übersicht über die Wirkung

L-Glutamin gehört zu den 20 natürlich vorkommenden Aminosäuren und ist grundsätzlich als nicht-essentiell einzustufen, sodass der Körper L-Glutamin unter normalen Bedingungen selbst produziert. L-Glutamin bzw. Glutamin befindet sich in hohen Dosierungen in Eiern und Fleisch, wird jedoch häufig auch als Nahrungsergänzungsmittel angeboten.

Wenn solche Präparate am Markt platziert werden, statten die Hersteller Glutamin mit zahlreichen Behauptungen aus, die die Wirksamkeit unterstreichen sollen. Am häufigsten wird eine schnellere Regeneration nach dem Training sowie eine Leistungssteigerung im Training in Folge der Einnahme angepriesen.

Um zu verstehen, ob die Behauptungen der Nahrungsergänzungsmittelindustrie tatsächlich der Wahrheit entsprechen, ist ein fundiertes Hintergrundwissen notwendig. Dazu habe ich den aktuellsten Stand der Wissenschaft verständlich zusammengefasst und mit Studien hinterlegt.

Glutamin Struktur und biologische Eigenschaften

Glutamin ist eine Aminosäure, die in zwei Spiegelbildisomeren (L-Glutamin und D-Glutamin) vorkommt. Allerdings liegt nur L-Glutamin gebunden in Proteinen vor. D-Glutamin kommt nicht in Proteinen vor und ist somit für eine Supplementierung irrelevant.

Aus diesem Grund werden in der Literatur die Begriffe Glutamin und L-Glutamin synonym verwendet werden.

Glutamin ist die häufigste im Körper vorkommende Aminosäure. Besonders hoch ist der Anteil in Muskelgewebe und im Blutplasma. Im menschlichem Körper erfüllt es diverse Funktionen und ist an vielen biochemischen Prozessen beteiligt. So kann es beispielsweise dem Stickstofftransport innerhalb des Gewebes dienen, als Ausgangsstoff in Glutathion (ein Antioxidans) eingehen oder bei der Regulierung des Säure-Basen-Haushalts wirksam werden1.

Glutamin Vorkommen in der Nahrung

Glutamin ist in hohen Dosierungen in vielen Lebensmitteln enthalten. Besonders hoch ist der Glutamin-Gehalt in tierischen Produkten wie Fleisch, Eiern und Molkenerzeugnissen. Wie viel Glutamin in unterschiedlichen Lebensmitteln steckt, soll folgende Übersicht veranschaulichen:

Mais: 16,2% des Eiweißgehaltes des Produkts sind Glutamin

Weißer Reis: 11,1%

Tofu: 9,1%

Rindfleisch: 4,7%

Eier: 4,3%2

Um die Werte besser einschätzen zu können, muss man den einzelnen Lebensmitteln ihren entsprechenden Eiweißgehalt zugrunde legen. Wenn man bei 100g Mais von 3g Eiweiß ausgeht, entspricht das einem Glutamin-Anteil von 0,486g/100g. Bei einem Stück Rindfleisch ist von rund 25g Eiweiß pro 100g Fleisch auszugehen, sodass der Glutamin-Anteil 1,175g/100g beträgt.

Erwachsene Menschen konsumieren durchschnittlich rund 5 bis 9g Glutamin jeden Tag.

Glutamin Wirkung

Die Behauptungen der Hersteller sind klar: Schnellere Regeneration, mehr Leistung dank Glutamin. Woher stammen diese Aussagen und sind sie überhaupt haltbar? Kann denn überhaupt Glutamin Wirkung beim Menschen zeigen? Diesen Fragen gehen wir als nächstes auf den Grund.

Dazu ist als erstes das Augenmerk auf die Auswirkungen von Glutamin auf die Muskel-Proteinsynthese zu richten. In mehreren in vitro Studien wurde tatsächlich ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Einnahme der Aminosäure und erhöhten Proteinsyntheseraten, sprich anabole (muskelaufbauende) Zustände, festgestellt.345 Gleichzeitig wurden bei verminderter Zugabe von Glutamin katabole (muskelabbauende) Zustände festgestellt.

Daraus lässt sich zunächst schlussfolgern, dass Glutamin eine signifikante, leistungssteigernde Wirkung hat, solange der Versuch mit isolierten Zellen in vitro, also außerhalb des Organismus' durchgeführt wird.

Sobald man sich jedoch Studien mit gesunden, lebenden Menschen ansieht, offenbaren sich andere Testresultate. In einem Versuch wurden den Probanden nach einer 90 minütigen Ausdauereinheit bei gehobener Belastung Mischungen aus Kohlenhydraten und essentiellen Aminosäuren sowie Mischungen aus Kohlenhydraten, essentiellen Aminosäuren und Glutamin (0,3g/kg Körpergewicht) verabreicht.6 Das Ergebnis der Studie lautet, dass die Zugabe von Glutamin keinen Effekt auf die Muskel-Proteinsynthese oder die Glykogen-Synthese hat.

In einem weiteren Versuch wurde der Effekt von Glutamin auf die Maximalkraftleistung trainierter Männer untersucht.7 Nach der ersten Kraftmessung wurden die Trainierenden in zwei Gruppen aufgeteilt und ihnen wurde entweder ein Placebo-Getränk oder ein Getränk mit einer hohen Glutamin-Dosierung verabreicht. Nach 2 Stunden wurde eine erneute Kraftmessung durchgeführt, um die Leistungsveränderungen innerhalb der beiden Gruppen zu beobachten. In der 2. Messung beider Gruppen waren die Kraftveränderungen der Gruppen identisch.

Daraus ist abzuleiten, dass eine Supplementierung mit Glutamin im lebenden Organismus nicht den Anschein macht die Muskel-Proteinsyntheserate zu erhöhen. Es lässt sich schlussfolgern, dass es die Regeneration von Menschen, die Krafttraining ausüben, nicht merklich verbessert.

Die Wirkung von Glutamin auf trainierende Menschen ist also durchaus fraglich. In Ausnahmefällen kann es trotzdem sinnvoll sein Glutamin in Form von hochdosierten Präparaten einzunehmen. Wann und wieso es Sinn machen kann, soll der folgende Absatz erläutern.

In der Einleitung des Artikels wurde Glutamin als grundsätzlich nicht-essentielle Aminosäure beschrieben. In bestimmten Situation wird Glutamin hingegen nicht in ausreichenden Mengen vom Körper produziert, da ein gesteigerter Bedarf vorliegt. Aus diesem Grund wird es in der Literatur häufig als semi-essentielle Aminosäure bezeichnet. In Folge eines Traumas, einer Infektion oder einer schweren Abmagerung bei der das Immunsystem geschwächt wird, kann der Glutamin-Bedarf des Körpers deutlich ansteigen.89

Die Skelettmuskeln des Menschen können in solchen Extremsituationen nicht ausreichend Glutamin selbst synthetisieren, sodass es zu Veränderungen des Stoffwechsels und verringerten Enzym- und Hormonwerten kommen kann.10 Darüber hinaus wird der menschliche Körper versuchen, Glutamin aus den skelettalen Muskel zu extrahieren, da diese zu großen Teilen aus Proteinen/Aminosäuren bestehen. Um die Rate des Muskelverlusts bei Schwerkranken zu mindern, kann Glutamin als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden.11

Glutamin Einnahme

Die gängigsten Verzehrempfehlungen von Glutamin legen eine Einnahme von 5 – 10g pro Tag nahe. Da die Wirksamkeit des Stoffes in Bezug auf Muskelmasse bzw. Regenerationsvermögen nicht gegeben ist, kann eine optimale Glutamin Einnahmemenge nicht festgelegt werden. Die Empfehlung von 5 bis 10g pro Tag reicht aus, um einen möglichen gesteigerten Bedarf (in Folge einer Krankheit) zu decken.

Glutamin Nebenwirkungen

Die Frage, ob Glutamin Nebenwirkungen hat, ist sehr leicht zu beantworten, da die Einnahme von Glutamin äußerst sicher ist. In einer Langzeitstudie wurden bei einer Dosierung von 14g pro Tag (zusätzlich zu dem in der Nahrung enthaltenen Glutamin) keine negativen Eigenschaften festgestellt.12

Darüber hinaus wurden auch deutlich höhere Dosierungen getestet und für sehr wahrscheinlich harmlos empfunden. Nur „sehr wahrscheinlich“ aus dem Grund, da mit hohen Dosierungen keine Langzeitstudien durchgeführt wurden. Eine Studie mit 50 bis 60g pro Tag für einen Zeitraum von mehreren Wochen konnte keine negativen Effekte nachweisen.13

Referenzen

1https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20046124

2http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/jf950511i

3https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9223627

4https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2668704

5https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16844055

6https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17111006

7https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11834123

8http://www.nutritionjrnl.com/article/S0899-9007(97)83039-0/abstract

9https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7055386

10http://www.fasebj.org/content/10/8/829.abstract

11https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21266696

12https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18325648

13https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11533313

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