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Kyudo – Japanisches Bogenschießen in Perfektion

Kyudo ist eine fernöstliche Kampfkunst mit einem japanischen Langbogen, hinter der sich viel mehr verbirgt, als reine Zielsicherheit. Mehr als 1.200 Kyudo-Schüler praktizieren aktiv die Kunst, die für innere Ausgeglichenheit und Achtsamkeit sorgt. In diesem Artikel erfährst du, was die Faszination Kyudo ausmacht, welche Konzepte die Trainingseinheiten dominieren und wo die Unterschiede zum olympischen Bogenschießen liegen.

Grundlegende Charakteristiken des Kyudo

Wenn wir an Kampfsportarten denken, schwebt uns vielleicht ein Bild von Bruce Lee vor, wie er den Bösewichten einheizt und dabei noch richtig lässig aussieht. Dabei vergisst man schnell die meditativen Aspekte des Kampfsports, die den Geist mit dem Körper in Einklang bringen. Beim Bogenschießen verhält es sich ähnlich: Die einzelnen Bewegungen des Schützen können wir als Außenstehende wahrnehmen, dabei geht es für viele Schützen im Inneren um weit mehr als nur das Treffen eines Ziels. Einige nutzen den Sport mit einigen seiner durchaus meditativen Aspekte als Ausgleich zum Alltag.

Beim Kyudo steht genau dieser Aspekt im Zentrum des Geschehens. Die japanische Kunst des Kyudo verbindet Fokus, Disziplin und Präzision miteinander, um achtsam für die Umwelt zu werden und den Alltag vor den Hallen des Kyudojo, der Trainingsstätte, ruhen zu lassen.

Eine Schützin in einem klassischen Kyudojo - Quelle: ​Pinterest / Dezeen /  2013

Geschichte der Kampfkunst und des Bogens

Kyudo bedeutet im Japanischen "der Weg des Bogens". Das Kyudo-Handwerk wird auch als "Synonym für das Streben nach Wahrheit, Güte und Schönheit" beschrieben. Als eine der ältesten Kampfkünste Japans umfasst Kyudo Bereiche der Jagd, des Wettkampfs, der zerimoniellen Kunst sowie Geschicklichkeitsübungen.

Es wurde erstmals um 250 v. Chr. erwähnt, als frühe japanische Jäger Kyudo-Bogen, den sogenannten Jomon, nutzten. Der Bogen galt als Zeichen der politischen Macht, weshalb der erste japanische Kaiser Jimmu mit ihm umzugehen wusste, um seine Position zu stärken. Neben der Wirkung als politisches Autoritätszeichen wurde Kyudo schon damals von japanischen Kriegern eingesetzt, die die buddhistischen Einflüsse in die Kampfkunst nutzten, um dem Umgang mit dem Bogen eine spirituelle, beinahe rituelle Komponente abzugewinnen.

Kyudo Übung


Wenn du jemals einen Kyudojo betrittst, wird dir schnell bewusst, dass es sich dabei nicht um eine gewöhnliche Bogenschießanlage handelt, sondern dass es dabei um viel mehr geht als die alleinige Präzisionsübung. Ein Kyudojo ist gehüllt in spirituelle Energie, die von den praktizierenden Schützen ausgeht. Jede Bewegung, jeder Schuss steckt voller Achtsamkeit und Präzision und wird in einem meditativen Zustand ausgeführt.

Sofern du planst, die Kunst des Kyudo zu lernen, solltest du die Hausregeln des Kyudojo achten. Gängige Praxis ist das Ausziehen der Schuhe, bevor du das Innere auf Socken betrittst. Diese Vorgehensweise soll das Bewusstsein steigern und dich von der Außenwelt befreien. Betrittst du einen traditionell geführten Kyudojo mit Schuhen, würdest du symbolisch die Außenwelt ins Innere tragen. Indem nichts von außerhalb mit der Trainingsstätte in Kontakt kommt, wirst du deine Sorgen automatisch hinter dir lassen und deine Übungen mit klarem Geist ausführen.

Ablauf einer Kyudo-Einheit

Kyudo wird unterschiedlich gelehrt, je nachdem in die Hände welches Meisters du dich begibst. Grundsätzlich herrschen aber immer zeremonielle Abläufe, die gewissen Mustern folgen. Besonders auffällig sind dabei die Konzepte von "Taihai" und "Hassetsu",  die genau angeben, welche Bewegungen wann ausgeführt werden müssen.

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Erste Lerninhalte

Die Grundlagen werden systematisch vermittelt. Du wirst in die Kultur eingeführt und lernst die grundlegenden Bewegungen. Als erstes stehen dabei die verschiedenen Arten des Gehens, des Drehens und des Kniens auf dem Programm. Dann musst du lernen, wie du diese Bewegungen ausführst, während du Pfeil und Bogen in deinen Händen hältst. Erst mit viel Übung wirst du die Abläufe perfektionieren. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn vergiss nicht, dass jeder Meister einst ein Schüler war.


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Das Taihai und das Hassetsu

Im Kyudo wird zwischen dem Taihai und dem Hassetsu unterschieden. Während das Taihai eher die Abläufe und die Ritualien lehrt, die die Grundlage für jede Einheit sind, beschreibt das Hassetsu den genauen Ablauf des Schusses. Hassetsu kann in neun Phasen aufgeteilt werden, die Fußstellung, die Korrektur der Körperhaltung, die Vorbereitung des Bogens, das Anheben des Bogens, das Ausziehen der Sehne, das Ankern des Bogens, das Auslösen des Schusses, das Verweilen des Körpers sowie das Senken des Bogens nach dem Schuss umfasst (Ashibumi, Dozukuri, Yugamae, Uchiokoshi, Hikiwake, Kai, Hanare, Zanshin, Yudaoshi).


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Grundlagen des Hassetsu

Basis eines jeden sicheren Schusses ist das richtige Ashibumi. Damit ist die Fußstellung gemeint. Generell stehen deine Füße etwa eine Pfeillänge auseinander, sodass du ein stabiles Gleichgewicht erreichst. Wenn du die richtige Position eingenommen hast, wird Pfeil und Bogen unter deiner Hüfthöhe gehalten. Sowohl Pfeil und Bogen zeigen vor dir auf deine Körpermitte, ohne dass die Spitze des Bogens den Boden berührt.


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Abschluss des Hassetsu

Im Kyudo wird nach dem Schuss der Bogen nicht direkt gesenkt. Der Schuss endet erst mit dem Zanshin, was so viel wie "anhaltender Geist" oder "anhaltander Körper" bedeutet. Nachdem der Pfeil den Bogen verlassen hat, hältst du deine Position und strahlst deine Energie aus, selbst nachdem der Pfeil im Ziel gelandet ist. Danach wird der Bogen langsam gesenkt, während du den Blick auf dem Ziel behältst.


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Ablauf der einzelnen Schussfolge

Der Ablauf einer Übungseinheit folgt ebenfalls einer Tradition: Mitglieder des Kyudojo schießen ihre Pfeile in der Reihenfolge ihres Ranges. Diejenigen mit der niedrigsten Stufe dürfen zuerst schießen und die mit der höchsten Stufe zuletzt. Jeder Teilnehmer schießt einmal und setzt sich dann hin, bis er in der nächsten Runde wieder an der Reihe ist.

Technikunterschiede zu Olympischen Bogenschießen

Im klassischen Bogensport, wie man ihn hierzulande kennt, verweilt der Schütze auch oft nach dem Schuss noch kurz in der Position, um den Pfeilverlauf zu beobachten.

Ein großer Unterschied in den Techniken ist die Ausholbewegung des Bogens. Im Kyudo wird der Bogen so hoch gehalten, dass sich der eingenockte Pfeil über dem Kopf befindet. Erst im Lauf der Zugbewegung wird der Bogen gesenkt, sodass ein genaues Zielen mit dem Pfeil möglich ist. In der Ankerposition bei voll ausgezogenem Pfeil unterscheidet sich die Haltung hingegen nicht mehr gravierend von der Technik, die viele Schützen in Deutschland anwenden.

Weiterführende Empfehlungen

Falls du dir nach dieser kurz gefassten Vorstellung überzeugt bist, selbst Kyudo ausprobieren zu wollen, empfiehlt sich die Landesverbandsübersicht des Deutschen Kyudo Bunds. Dort findest du Ansprechpartner in deiner Region, die dich gerne unterrichten werden.

  • Stefan sagt:

    Tolle Beschreibung von Kyudo. Vielen Dank!

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